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HEFTLE - Ein Magazin von Kindern

Künstlerischer Workshop mit Schülerinnen und Schülern der ersten Klasse im Juni/Juli 2022.

Durchgeführt im Rahmen des Modellprojekts „Wachsen Lassen“
In Kooperation mit dem BBK Landesverband Bayern / AG Kulturelle Bildung
Und der Antonius-von-Steichele-Grundschule in Mertingen
Gefördert von: Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus


PERSÖNLICHES VERSTÄNDNIS DER KUNSTVERMITTLUNG

Lehren und Lernen gehören selbstverständlich zusammen, ergänzen sich und schließen sich auch aus; je nachdem aus welcher Perspektive man darauf blickt beziehungsweise in welcher Rolle man sich befindet. Gerechte Bildungschancen sind nicht nur eine Frage des eigenen persönlichen Könnens und des individuellen Engagements. Vielmehr bestimmt die soziale Herkunft der Lernenden ihren Bildungsgang und Horizont maßgeblich — ihre Bildungschancen werden vererbt. Durchlässigkeit und Chancengerechtigkeit unabhängig von Herkunft und wirtschaftlicher Situation zu gewährleisten sind Grundsätze meines Handelns.

Sie sind aber auch allgemeine Grundlage eines partizipatorischen und verständnisvollen Umgangs miteinander. Deshalb ist es für mich besonders wichtig, sich in allen Bereichen des Alltags diese Ungerechtigkeiten zu vergegenwärtigen und sie bewußt zu machen. Schließlich ist Bildung nicht nur für Einzelne in ihrer Entwicklung förderlich, sondern trägt langfristig zu einer toleranten Gesellschaft bei.

Als jemand mit eigenem Migrationshintergrund aber auch als akademischer Sonderling innerhalb einer Arbeiterfamilie, kann ich hierbei differenzierte persönliche Erfahrungen einbringen. Ich habe große Affinität zur Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die praktische Schulerfahrung aus der Lehre der Fächer Kunst und Ethik als auch aus verschiedenen Workshops auf freiberuflicher Basis. Meistens sprechen wir mit Wörtern.

Wir sprechen aber auch mit unseren Körpern zueinander oder mit Musik und Tönen. Können wir auch mit Kunst miteinander sprechen? Kann auch Kunst etwas sein, was uns unsere Gedanken, unsere Stimmungen, unsere Ängste oder Wünsche besser verstehen lässt? Können wir zusammen einen Beitrag für uns alle als Gruppe leisten? Lässt sich vielleicht mittels der Kunst der Mehrwert einer diversen Migrationsgesellschaft sichtbar machen

WIE KOMMT KUNST ZU DEN KINDERN?

Ich glaube Kunst muss nicht zu den Kindern kommen, da ist sie schon. Oder noch. Angelehnt an das Pablo Picasso zugeschriebene Zitat „Jedes Kind ist ein Künstler. Das Problem ist nur, ein Künstler zu bleiben, während man erwachsen wird.“ stellt sich eher die Frage, wie die Kunst dort bleibt oder zu uns als Erwachsene kommt — möglichst unverzerrt. Wieder zu Kindern werden, das Erlernte wieder vergessen. Abseits bestimmter Lernziele und Benotungsmechanismen soll das künstlerische Arbeiten in diesem Projekt auch als Möglichkeit der eigenen Ausdrucksweise abseits von Sprachbarrieren, Altersgrenzen oder der Unterstützung aus dem familiären Umfeld sein.

Kunst und Kunsterziehung als Schulfach aber auch als Technik der Lebensbewältigung, der Möglichkeit gemeinsam zu wachsen. Im Rahmen dieses Projektes möchte ich zukünftige Lebenswege positiv verändern, kritisch begleiten und jeder einzelnen teilnehmenden Person wertvolle Fähigkeiten und Impulse mittels meiner Tätigkeit mit auf den Weg geben. Das Projekt stelle ich mir als wandelbares Laboratorium der Möglichkeiten, geschützter Ort des Ausprobierens und auch Möglichkeit des kreativen Scheiterns vor. Dieses Projekt wäre meine erste längere Arbeit mit Grundschulkindern. Davor waren die Workshops an Klassenstufen 5 bis 9 gerichtet oder an junge Heranwachsende. Ich erhoffe mir eine ganz neue Art der Vermittlung, der Aufgabenstellung und ein Ergebnis, welches diese Herausforderung deutlich widerspiegelt.

Es geht nicht nur ausschließlich darum Kinder zu ermutigen sich möglichst frei und ohne Hintergedanken künstlerisch auszudrücken sondern auch den Eltern oder Erziehungsberechtigten zu vermitteln, daß Kunst ein sehr wertvolles Vehikel für den Alltag sein kann. Sie sollen das vor allem bei Kindern vorhandene Potenzial erkennen und weiter fördern. Mein Projekt in Form eines gemeinsam gestalteten Heftes soll dies dokumentieren.

IDEENSKIZZE

Der Workshop soll die Teilnehmenden der Antonius-von-Steichele-Grundschule in Mertingen dazu ermutigen, künstlerische Praktiken schon in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung als wichtige Werkzeuge der eigenen Lebensführung und Ausdrucksweise zu verstehen. So wie unsere Hände als direkt Vermittelnde zwischen der Außenwelt und unserem Innenleben funktionieren, wollen wir im Workshop den Fokus auf das selbst Gestaltete mittels unserer Hände legen: eigene Schrift, persönlicher Ausdruck und Abdruck des individuellen Gemüts. Und dies mit möglichst einfachen Materialien und Prozessen.

Handarbeit ist als altmodisch, langweilig und rückwärtsgewandt konnotiert, ist aber auch trotz allgegenwärtiger Digitalisierung das einfachste Mittel unsere Gedanken in eine Form zu bringen und zugleich revolutionär, offen, charismatisch und anarchisch zugleich. Dies schließt andere Medien wie z.B. Fotografie nicht aus — es geht darum, im Verlauf des Workshops anschauliche und haptische Prozesse zu dokumentieren. In abgewandelter Form des Sinnspruchs von Fritz Langs Film Metropolis, verstehen wir die Hand als Mittler zwischen Hirn und Herz. Es gibt bei diesem Projekt keine Grenzen, weder inhaltlich noch ästhetisch. Einige fühlen sich wohler Fotos zu machen, andere schreiben vielleicht lieber einen kurzen Text und wieder andere zeichnen einen Comic oder befragen ihre Familie zu einem bestimmten Thema als Kurzinterview.

Mithilfe von Beobachtung, Vergleich, Kritik und Korrektur finden wir gemeinschaftlich einen mittleren Weg und spiegeln so unsere Lebenswelt wider. Alles außer Druck und Produktion des Heftes liegt dabei in den Händen der Teilnehmenden. Der Gebrauch und die Reflexion über die direkten Ergebnisse führen zu einer erweiterten Bedeutung: einer sozialen Bedeutung als individuelles Statement des DIY (Do–It–Yourself) einer industriellen Uniformität entgegengestellt. Dieser Ansatz soll das Verständnis von einem erweiterten Kunstbegriff ermöglichen und die Kinder gezielt darin ermutigen, ihre kreativen Alltagspraktiken als wertvolle Beiträge zur einer vielfältigen und diversen Kunstwelt zu verstehen.

Das Endprodukt zeigt über verschiedene Etappen in Form spielerischer Annäherungen die individuellen Fähigkeiten und Interessen der Teilnehmenden und deren Vorstellungen von künstlerischer Erprobung: Fehler, Ungenauigkeiten und Scheitern inbegriffen. Indem alle individuellen Ergebnisse mittels Heft zu einer einheitlichen Form finden, wird so der Gemeinschaftsaspekt betont.

MATERIAL UND WERKZEUG

Papier (A3/A4, verschiedene Stärken und Farben), verschiedene Stifte (Filz, Marker, Blei, Füller etc.), eigene Smartphones, vorhandenes Büromaterial, digitale Tablets aus dem Fundus der Schule Werbung, Kreuzworträtsel, Anleitungen, Horoskope, Fotoreportagen, Spiel–/Film-/App-Reviews, Interviews, Kurzgeschichten, Comics, fiktive Vermissten-/Kontaktanzeigen, Leserinnen und Leserbriefe, Wetterberichte, Essensmenü etc.

BEISPIELE: AUFGABEN, ÜBUNGEN UND ARBEITSANLEITUNGEN

1. Gemeinsam ein großes Blatt Papier bemalen. Kein Sprechen, jeweils nur eine Person gleichzeitig. 2. Mit welchen Dingen habt ihr eine besondere Beziehung? 3. Welche Art von „Sammlungen“ habt ihr? Welche Dinge sind euch besonders wichtig? 4. Hände zeichnen. 5. Erkundet die Schule, den Hof: welche Sachen/Orte sind immer gleich oder haben sich verändert? 6. Was ist auf eurem Schulweg besonders? 7. Kochrezepte sammeln. 8. Welche Vorbilder habt ihr? 9. Habt ihr etwas geträumt? 10. Wie sieht die Welt aus, wenn ihr erwachsen seid?

PRÄSENTATION

Es soll einerseits das fertige Endprodukt in Form eines gedruckten Heftes gezeigt werden. Alle Teilnehmenden erhalten jeweils Exemplare um diese z.B. auch zu Hause anderen Menschen zeigen zu können. Es sollen aber auch Zwischenprodukte und Arbeitsschritte, die Grundlagen des collagierten Heftes waren, in ihrer Originalität und Urspünglichkeit dokumentiert und gezeigt werden.

Dies soll in Form einer von den Kindern gestalteten Wandcollage direkt vor Ort an der Schule gezeigt werden; eventuell als längerfristige Wandinstallation mit gekleistertem Papier auf einer geeigneten Unterlage. hybride Umsetzung Das Ergebnis soll eindeutig ein physisch gedrucktes Heft bzw. Magazin oder eine Zeitung sein. Selbstverständlich gehört mittlerweile die parallele digitale Präsentation in Form einer Website und eines PDF dazu. Beides wird im Rahmen des Projektes sichergestellt.

Im Falle einer absoluten Notsituation infolge von pandemiebedingten Beschränkungen oder Schulschliessungen, kann das Projekt in Form von Aufgabenstellungen und Arbeitsblättern weitergeführt werden. Die Ergebnisse können gesammelt vor Ort abgeholt und bis zum Abschluss des Projektes weiter bearbeitet werden.